Wie wir mit Angst in Krisenzeiten besser umgehen können.
Zunächst einmal ist Angst nicht per se etwas Schlechtes. Um uns vor Gefahren zu schützen, versetzt sie uns in die Lage, zu kämpfen oder zu fliehen. Durch Angst kann sich unser Körper darauf vorbereiten uns zu beschützen - und das tut er, indem er alle notwendigen Systeme hochfährt (z.B. das Herz-Kreislaufsystem). Und alles, was zur Gefahrenabwendung nicht gebraucht wird, wird runtergefahren (z.B. Sexualtrieb). Neben den typischen Angstreaktionen Flucht und Kampf, kann auch eine Art Schreckstarre (Freeze) eintreten (Augen zu und still halten, bis die Gefahr vorüber ist). Mit welcher dieser Möglichkeiten wir reagieren, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Die Angst zeigt sich neben dem Verhalten noch auf 2 weiteren Ebenen: psychisch (z.B. nur noch wenig wahrgenommene Bewältigungsmöglichkeiten) und körperlich (z.B. schnelle Atmung, Schwitzen, Mundtrockenheit).
Was macht uns Angst?
Grundsätzlich macht uns Unbekanntes mehr Angst, als gewohnte Dinge. Unsere Angst hängt auch davon ab, ob wir etwas freiwillig tun oder ob wir dazu „gezwungen“ wurden.
Die individuelle Ausprägung von Angst hängt von unseren Genen und unserer Umwelt bzw. unserem erlernten Verhalten ab. Es gibt nur 2 Gruppen von Menschen, die (fast) keine Angst empfinden: Menschen mit dem Urbach-Wiethe-Syndrom (Ausfall von Strukturen der Amygdala) und Soziopathen (Vermutung: Diese lernen nicht aus negativer Erfahrung).
Was ist nun das Problem mit der Angst?
Angst entsteht nicht nur in lebensbedrohlichen Situationen, sondern wenn wir uns beängstigende Dinge vorstellen. Unser Gehirn kann nicht zwischen Realität und Vorstellung unterscheiden. Wenn wir nun also abends auf der Couch liegen und uns vorstellen, was alles passieren könnte, weil wir z.B. schlechte Nachrichten von Krieg, Krisen, etc. auf dem Handy lesen), dann reagieren wir womöglich mit einer Angstreaktion, obwohl wir eigentlich gerade sicher vor Gefahren sind.
Wir sind dann mit unseren Gedanken häufig in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Wir denken also über Dinge nach, die entweder längst vorbei sind (und die wir nicht mehr ändern können) oder über Dinge, die eventuell in der Zukunft passieren könnten. Und das führt zu Angstgefühlen.
Verstärkt wird dies durch häufig durch Doom Scrolling – also dem Springen von einer Nachricht zur nächsten auf unserem Handy. Denn dadurch entstehen Bilder zu diesen schlechten Nachrichten n unserem Kopf. Und da unser Gehirn nicht zwischen Realität und Vorstellung unterscheidet, reagiert unser Körper auf diese Bilder. Dies führt zu einem geringeren wahrgenommenen Kontrollempfinden, welches sich immer weiter reduziert, je länger man Nachrichten auf Social Media konsumiert.
(Bei sogenannten Qualitätsmedien ist es das Gegenteil: Qualitativ hochwertige Informationen können die Angst sogar nehmen. Trotzdem sollte man sie max. 1 Stunde am Tag konsumieren).
Ja, es sind belastende Dinge passiert und es können auch schlimme Dinge passieren. Aber niemandem wird es besser gehen, indem er möglichst viel über diese negativen Dinge nachdenkt. Es wird nicht weniger passiert sein bzw. in der Zukunft passieren, je mehr wir darüber nachdenken. Es entstehen lediglich Gefühle der Hilflosigkeit und Ohnmacht. Und diese können sich zu Depressionen und Ängsten entwickeln.
Die Macht der Gedanken.
Folgendes Experiment soll dir die Macht unserer Gedanken und Vorstellungen demonstrieren: Denke an eine ganz frische, strahlend-gelbe Zitrone. Nimm sie in Gedanken in die Hand und spüre die unebene Oberfläche. Leg sie auf ein Brett und schneide sie in 2 Hälften. Der Zitronensaft spritzt aus der Zitrone und fließt auf das Schneidebrett. Du nimmst eine Hälfte in die Hand und presst dir den Saft der Zitrone direkt in den Mund.
Was ist passiert? Hast du gemerkt, dass dir Wasser im Mund zusammengelaufen ist? Wie du siehst: Unser Körper reagiert auf das, was wir hören, sehen und lesen! Und das gilt leider auch für die schrecklichen Bilder, die wir jeden Tag sehen.
Ab wann macht die Angst uns krank?
Es gibt kein MRT oder sonstiges Messgerät, dass ein Zuviel an Angst objektiv messen kann. Es ist auch meist ein fließender Übergang. Aber es gibt Fragen, die uns dabei helfen herauszufinden, ob es sich um eine Angststörung handeln könnte. Wichtig: Dies ersetzt keine offizielle Diagnose
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Man kann die Angst nicht mehr kontrollieren
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Die Angst ist übertrieben stark und/ oder hält sehr lange an
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Die Angst tritt ohne Grund auf
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Man beantwortet die Frage „Entscheide ich gerade oder meine Angst?“ sehr oft mit Angst.
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Man leidet sehr stark unter der Angst
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Man hat bereits ein Vermeidungsverhalten entwickelt (Vermeidung von vermeintlich gefährlichen Situationen/ Auslösern)
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Man hat eine Angst vor der Angst und fühlt sich dadurch oft hilflos und gelähmt
Angst führt häufig auch zu körperlichen Symptomen wie Anspannung, Nackenschmerzen, Migräne, Rückenschmerzen, Bauchschmerzen, Schlaflosigkeit, etc. Aber auch zu psychischen Leiden wie beispielsweise Depressionen. Deshalb ist es wichtig, dass wir unserer Angst begegnen und sie nicht weiter aushalten.
Was hilft gegen die Angst?
Zunächst einmal müssen wir uns klar machen, dass die Angst irgendwann wieder aufhört. Sie kann nicht ewig anhalten.
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Wenn es sich um nicht allzu starke Angst handelt und wir noch einigermaßen klar und ruhig sind, können wir die 3 Spalten-Technik einsetzen: Was ist objektiv passiert? Wie interpretiere ich das gerade? Wie würde das ein neutraler Beobachter bewerten?
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Weiterhin kann es hilfreich sein, seine Ängste zu Ende zu denken: Was kann schlimmstenfalls passieren? Was wären die Konsequenzen? Würde ich das überleben?
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Wir können uns außerdem fragen: Was mache ich gerade? (z.B. Essen kochen, lesen, aufräumen). Bin ich gerade im Überlebenskampf? Nein! Ich bin im Hier und Jetzt sicher.
Gibt es etwas, was ich jetzt gerade ändern kann? Was kann ich beeinflussen und was nicht? -
Mach dir klar, dass jeder mal Angst hat und dass die Angst nicht dein Feind ist. Und Mut ist die Überwindung von Angst, nicht die Abwesenheit.
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Komm zurück ins „Hier und Jetzt“ indem du dich 5 Minuten sich deine Sinne fokussierst: Achte 1 Minute darauf, was du hörst (Tipp: Fenster öffnen, wenn man drinnen ist), 1 Minute darauf, was du siehst, 1 Minute darauf, was du spürst (z.B. die Unterlage auf der du sitzt/ liegst), etc.
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Beschränke deinen Medienkonsum auf wenige Kanäle und wenig Zeit. Checke morgens nicht als erstes die Nachrichten. Beginne den Tag mit etwas Schönem, wie einer kurzen Morgenmeditation oder Atemübung. Oder mit dem Ausfüllen eines Dankbarkeitstagebuchs.
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Führe regelmäßig Entspannungstechniken durch, um deine Grundanspannung zu reduzieren und für zukünftige Angstgefühle besser gewappnet zu sein.
Solltest du Unterstützung bei der Überwindung deiner Ängste benötigen, sprich mich gerne an. Die in diesem Artikel beschriebenen Übungen sind bei sehr starken Ängsten meist nicht mehr ausreichend bzw. können gar nicht mehr durchgeführt werden. Es braucht andere Techniken und therapeutische Unterstützung. In meinen Sitzungen arbeite ich mit Angstpatienten sowohl an den Angstgefühlen als auch an den Angstgedanken, damit sie ihren Ängsten nicht mehr hilflos ausgeliefert sind. Ich gebe ihnen Techniken für den Akutfall, als auch zur Prophylaxe an die Hand.
Gemeinsam bauen wir Ängste ab und positive Gefühle & Entspannung auf.